Die Herausforderung des künstlerischen Schaffens bewegt sich zwischen zwei Polen. Am Anfang besteht sie in der Konfrontation mit der leeren Fläche und ihrer Überwindung, gegen Ende des Prozesses in der Gefahr, dem Horror Vacui mit einer Überfülle in der Gestaltung zu verfallen.
Wenn Peter Klare Kunstfell als Trägermaterial für großformatige Ölmalerei wählt, verändert er die Bedingungen grundlegend. An die Stelle der aufnahmebereiten Tabula rasa (rasa kommt vom lateinischen ‚radere’ zu deutsch ‚rasieren’) tritt das widerspenstige Material des Fells, mit seiner eigenen Farbigkeit und Faktur. Besonders deutlich in den rechteckigen, einfarbigen Arbeiten behauptet das Fell gegen die stofflose Wirkung der Monochromie die eigene Materialität wie die der Farbe. Dort wo Klare unregelmäßige, meist runde Formgebungen findet, erhalten die Werke einen gesteigert objekthaften Charakter.
Im Arbeitsprozess bietet das Fell entgegen der weißen Leinwand dem Künstler ein Gegenüber, das widerständig und scheinbar selbst gestaltend ist. Berührt durch den in Farbe getauchten Pinsel „malt das Fell zurück“, so Klare. Die feine Flauschigkeit geht durch das Öl verloren, es verklebt, wird strähnig und abstoßend, aber reizt trotzdem zur Berührung. Damit ist in Klares Arbeiten realisiert, was in der bekannten Fellarbeit Le déjeuner en fourrure (1935–1936) von Meret Oppenheim in der Fantasie des Betrachters anklingt: Es ist eine widerliche Vorstellung, das mit weichem Pelz überzogene Geschirr könnte nach einem ersten wohligen Kontakt mit Essen und Speichel beschmiert sein.
Das Bemalen der aufgespannten Felle hat bei Klare auch eine poetisch-archaische Seite. Scheinbar einem kulturellen Ritual folgend, in dem Felle rückgefettet und gefärbt werden, hängen sie wie Trophäen an der Wand. Dass es sich dabei um Kunstfelle handelt, bedeutet nur eine von mehreren, verschiedenen Umwertungen, die Klares Werk ausmachen. Kunstfell ist ein artifiziell hergestelltes Imitat von Tierfell, welches mit dem Animalischen und Wilden, verarbeitet auch mit dem Edlen und Teuren assoziiert wird. Das künstliche Produkt empfinden wir als billige Variante des Naturfells.
Durch das Bestreichen mit der klassischen und kostbaren Ölfarbe wird dieser „trash“ in die Gefilde der feinen Kunst gehoben und spätestens im Ausstellungsraum zum Artefakt, an dem die malerische Qualität zum Vorschein kommt: Das Fell folgt dem Pinseldruck. Glattgestrichen wirkt es wie versiegelt, und gegen den Strich gearbeitet struppig wie ein besonders pastoser Farbauftrag. Fell und Farbe reagieren im wechselvollen Zusammenspiel auf Licht mit Glanz oder einem tiefen Leuchten.
Peter Klares Werke aus den Jahren 2017 und 2018 sind so widerborstig und gleichzeitig so schmeichelnd wie Fell es sein kann. Erwartungen an Oberfläche, Form und Wertigkeiten werden optische Irritation und taktile Empfindungen paradoxer Objekte entgegengesetzt, die fremdartig und doch vertraulich erscheinen.________Cora Waschke